
Schwangerschaft und Geburt -Was macht es mit der Bindung und wie kann ich aufarbeiten?
Beitrag 3 unserer Blog-Reihe ‚3 Gründe warum dein Kind in seiner eigenen Welt ist oder aggressiv reagiert. Und was du tun kannst!‘
Die Zeit im Mutterleib ist die sicherste Zeit in unseren Leben. Wir sind geschützt, umgeben, geliebt, und haben keine Sorgen.
Diese Zeit ist eine sehr besondere. Das Kind entwickelt sich, das Gehirn entwickelt sich. Schon während der Schwangerschaft prägen sich Dinge ein und es werden die Grundsteine für die Entwicklung gelegt.
Es ist aber auch so, dass das Kind die positiven wie die negativen Erfahrungen der Mutter miterlebt und diese Erfahrungen die Entwicklung zum Guten oder eben zum Negativen beeinflussen können.
Erfährt die Mutter während der Schwangerschaft viel Unsicherheit, (Lebens-) Gefahr, große Angst und produziert somit einen hohen Gehalt an Stresshormonen (Cortisol), dann ist die Zeit des ungeborenen Kindes, im Mutterleib, nicht mehr so sorglos und kann die Entwicklung nachhaltig beeinflussen.
Hier erkläre ich euch, was ein dauerhafter Stresszustand für das ungeborene Kind bedeuten kann, wie es die Bindung beeinflussen kann und was ihr tun könnt um es aufzuarbeiten!
Es ist nicht zu vermeiden, dass Menschen, auch während einer Schwangerschaft, Stress erfahren. Das ist, bis zu einem gewissen Maß, nicht schlimm. Die Plazenta hat einen Schutzmechanismus, welcher dafür sorgt, dass Cortisol nicht zum ungeborenen Kind gelangt. Ist der Cortisolspiegel jedoch langfristig erhöht oder extrem hoch, fällt dieser Schutzmechanismus aus.
Ein zu hoher Cortisolspiegel während der Schwangerschaft kann somit dafür sorgen, dass die Rezeptoren welche dafür sorgen, dass die natürliche Stressreaktion, nach negativem Feedback, wieder beendet wird, nicht gut funktionieren. Das bedeutet, dass später beim Kind Stressverhalten, wie schreien, Wutausbrüche, etc. länger anhalten als normal. Auch kann es sein, dass das Kind mit Selbstversunkenheit oder Rückzug in seine eigenen Welt, reagiert. Der Aufbau einer sicheren sozialen Bindung wird somit erschwert.
Das Gleiche kann auch durch eine traumatische Geburt entstehen. Eine traumatische Geburt ist beispielsweise eine, welche das Kind mit Zange oder Saugglocke zur Welt bringt. Ebenso eine Geburt, bei welcher Sauerstoffmangel beim Kind entsteht und enorme Hektik, Panik und Angst ums Leben aufkommen.
Bei diesen Geburten kommt hinzu, dass in den meisten Fällen eine abrupte Trennung von Mutter und Kind stattfindet, da medizinische Notfallmaßnahmen durchgeführt werden müssen.
Stress während der Schwangerschaft und/ oder während der Geburt prägen sich ins Körpergedächtnis ein (Das Körpergedächtnis ist die Summe der durch Wahrnehmung, Beziehungen sowie soziale und kulturelle Einflüsse entstandenen Erfahrungen des Körpers. Dabei werden über Sinnesorgane aufgenommenen Eindrücke im Verbund mit Emotionen und Bewegungsmustern als implizite Gedächtnisinhalte abgespeichert.).
Ein Trigger/ Auslöser kann das Kind also jederzeit zurück in diese unsichere Situation führen, wodurch es mit einer Stressreaktion reagiert.
Am Anfang des Lebens ist das Baby noch nicht zu sehr vielen Dingen in der Lage und reagiert somit oftmals mit Schreien. Die Stressreaktion kann sich im Laufe der Entwicklung verändern. Ein Auslöser kann beinahe alles sein, was an die Situation zurückerinnert (grelles Licht, Panik, laute Stimmen, Gerüche, etc.). Eine Stressreaktion, basiert auf dieser Körpererinnerung, kann in einigen Fällen jahrelang bestehen bleiben, zum Teil sogar lebenslang.
Wie die Stressreaktion aussieht kann in jedem Fall anders sein. Sie ist jedoch in jedem Fall verbunden mit entweder einer Flucht-, Kampf- oder Einfrier-Reaktion.
Um eine sichere und starke Bindung zum Kind aufbauen zu können, ist es also wichtig sein Verhalten zu verstehen und im Hinterkopf zu haben, dass die oben genannten Dinge eine Rolle spielen können.
Eine sichere Bindung baut sich dadurch auf, dass das Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit erfüllt wird.
Die Sicherheit der Bindung entsteht dadurch, dass das Kind so viel wie möglich gute Bindungserfahrungen macht. Eine gute Bindungserfahrung ist eine, in welcher das Kind erfährt, dass es sich auf die Nähe und die Fürsorge seiner Bezugsperson verlassen kann. Je mehr gute Bindungserfahrungen das Kind macht, desto sicherer fühlt es sich in der Bindung.
Zu Beginn des Lebens, das heißt in den ersten Monaten, ist es wichtig, dass das Kind viel nahen Körperkontakt erfährt. Es muss sich erst langsam daran gewöhnen vom Körper der Mutter getrennt zu sein.
Ab ca. 7-8 Monaten finden die ersten Fortbewegungsversuche statt. Körperliche Trennung passiert. Auch bei motorischer Behinderung finden emotional diese Prozesse statt. Es darf körperlich mehr Raum gegeben werden.
In dieser Zeit wird die Trennung emotional nochmals stärker erfahren. Hier kann es zum Fremdeln kommen, welches vorher eventuell nicht gezeigt wurde. Dadurch braucht das Kind nun stets die Rückversicherung, dass seine Bezugsperson immer noch da ist, auch wenn das Kind sich körperlich entfernt.
Nun entwickelt sich die Bindung zunehmend zu einer gefühlsmäßigen Bindung, die sich in den Folgejahren weiter festigt.
Die Bindung muss nun nicht mehr konstant körperlich sein. Für eine sichere Bindung ist es wichtig, dass die Bezugsperson das Kind ermutigt zu entdecken und selbstbestimmt zu werden. Es darf Freiheit und Individualität erfahren. Hier finden wichtige Prozesse der Persönlichkeitsentwicklung statt. Die Mutter kann das Kind also kurzzeitig ‚verlassen‘ ohne dass das Kind weint. Es weiß, dass die Mama zurückkommen wird. Die sichere Basis ist verinnerlicht, wenn das Kind weiß, dass die Bezugsperson ‚da‘ ist, auch wenn sie für einige Zeit nicht körperlich anwesend ist.
Dieser emotionale Prozess findet bei allen, auch behinderten, Kindern statt. Einige Krankheitsbilder, wie zum Beispiel Autismus lassen es nicht zu, dass die Emotionen nach außen hin sichtbar sind. Das kann für Eltern sehr schwer sein.
Zudem ist es so, dass wenn oben genannte Stresssituationen, wie eine beängstigende und stressvolle Schwangerschaft oder komplizierte Geburt erfahren wurden, die Entwicklung der Bindung oft abweichend von der Norm ist. Dann ist es hilfreich an der Bindung zu arbeiten um diese Erfahrungen stückweit zu verarbeiten und die Bindung zu festigen.
Gefördert werden kann, beispielsweise durch die folgenden Punkte:
- Gehe auf Fürsorgebedürfnisse ein; wenn dein Kind in den Arm möchte, nimm es in den Arm; möchte es getröstet werden, tröste es; etc.
- Nimm dir Zeit bei der Pflege, beim füttern/ stillen oder essen reichen; begleite verbal was du tust. Bsp.: ‚Ich ziehe dir einen kuschligen Pullover an, denn ich möchte dass du warm bleibst und nicht frierst.‘; ‚Ich habe dir Kartoffelpüree gekocht, weil ich weiß, dass du den so gern magst.‘ etc.
- Schmust miteinander, aber erkenne die Zeichen, wenn dein Kind genug hat.
- Geschenk-Übung: Wickle dein Kind, wie ein Geschenk, in eine Decke ein. Packe es sehr langsam aus und bemerke, beim Auspacken, alle wundervollen Details an deinem Geschenk. ‚Ich habe noch niemals so süße Zehen gesehen!‘, ‚Was für wunderschöne Sommersprossen hat mein Geschenk!‘, ‚Ich habe mir schon immer ein so hübsches Mädchen gewünscht!‘, ‚Du bist das beste Geschenk was ich je bekommen habe!‘, etc.
- Freue dich über Entdeckungen deines Kindes, fördere Neugierde und freue dich mit, über die kleinsten Veränderungen, Eroberungen und Begeisterungen.
Ich hoffe ich konnte euch ein paar hilfreiche Infos und Tipps an die Hand geben!
Alles Liebe,
Eure Ricarda
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